Dr. Holm Gero Hümmler
Dr. Holm Gero Hümmler
... die Nichtexistenz Gottes lässt sich nicht beweisen
- Selbstdefinition
Mein Weltbild ist sicherlich ein naturwissenschaftliches, aber zur Weltanschauung gehören ja auch Werte. Da steht für mich die Freiheit des Individuums ganz oben – in aller Konsequenz. Daher spreche ich persönlich weniger gerne von Humanismus, da dieser Begriff häufig mit einer Weltanschauung in Verbindung gebracht wird, für die die individuelle Freiheit aufhört und der Kollektivismus gepredigt wird, sobald es um Geld geht. Ich habe auch kein Problem, mich Atheist zu nennen und ärgere mich eher, wenn ich als Agnostiker bezeichnet werde. Natürlich kann man die Nichtexistenz Gottes nicht beweisen, aber wenn einen allein das zum Agnostiker macht, zu was macht es einen, dass man auch die Nichtexistenz des Pumuckl nicht beweisen kann? Wie belanglos ist ein theoretisch denkbarer Gott, von dem man nichts weiß, außer dass man nicht einmal wissen kann, ob man für ihn/sie/es (oder auch die Vielen) seine Mitmenschen lieben oder doch besser möglichst blutrünstig opfern sollte?
- Entscheidende Erfahrungen
Im frühen Religionsunterricht dachte ich noch, das Gottesbild meiner Mitschüler und mancher Lehrer sei einfach nicht abstrakt genug. Erst im Konfirmandenunterricht wurde mir klar, dass ich da von meinen Eltern wirklich in die völlig falsche Veranstaltung geschickt worden war. Dummerweise fehlte mir damals noch der Mut, mich dazu auch nach außen zu bekennen.
- Elitär
Elitär ist höchstens unsere eigene Vorstellung, elitär zu sein. Es gibt massenweise einfach denkende und weniger akademisch gebildete Menschen, die frei von Glauben nach ganz praktischen Werten leben. Die gehen eben nur nicht zu Vereinigungen, in denen ein Haufen Akademiker Judäische Volksfront gegen Volksfront von Judäa spielt. Hilfreich wäre für diese Menschen, wenn es mehr prominente Identifikationsfiguren gäbe, die öffentlich Stellung beziehen.
- Religiöse Zwänge
Wie erwähnt, bei meiner Konfirmation war mir klar, dass ich Atheist bin, aber ich habe mich einfach nicht getraut, nein zu sagen. Meine Familie war nicht einmal sonderlich religiös, aber es war nie eine Frage, dass ich konfirmiert werde. Wir hatten ein Geschäft – was sollten denn die Leute denken? In den folgenden Jahren bin ich mir ungeheuer verlogen vorgekommen, wann immer ich in die Nähe einer Kirche kam. Erst nach dem Austritt, mehr als zehn Jahre später, habe ich gelernt, das entspannter zu sehen.
- Konkrete Eigenerfahrungen mit Religiosität
Höchstens als Kind, wobei ich schon im Grundschulalter das ungute Gefühl hatte, dass das alles reichlich naiv ist. Was Glauben bestimmten Menschen emotional gibt, kann ich noch am Ehesten bei der Begegnung mit Klostergemeinschaften, vor allem Benediktinern, nachvollziehen. Allerdings finde ich das genauso wenig erstrebenswert wie einen Drogenrausch, zu dem ich so einige Parallelen sehe.
- Glaubensfreie Alternativen
Wenn sich jemand endlich von diesen Ritualen befreit hat, wozu sollte er diese Freiheit für eine völlig sinnentleerte Kopie wieder aufgeben?
- Freiheit, eigene Wünsche und Gedanken zu leben
Die Freiheit fühle ich mit Einschränkungen, wobei die meisten dieser Einschränkungen weniger mit religiösem Einfluss als mit anderen Ideologien zu tun haben. Da unser Lustempfinden ja schon evolutionär bedingt kooperative Elemente enthält und das Bemühen um Lustmaximierung auch immer Langfristigkeit und Reziprozität berücksichtigen muss, sehe ich wenig Sinn darin, sich auch noch selbst eine Pflicht aufzuerlegen, mit der eine Balance zu finden wäre. Da spricht mir Bernulf Kanitscheiders Hedonistisches Manifest in vielen Punkten aus der Seele.
- Zusammenhang zwischen Humanismus und Aufklärung
Um das sinnvoll zu diskutieren, müsste man erst einmal alle verwendeten Begriffe klären …..
- Praktischer Humanismus
Ganz sicher nicht im missionarischen Sinne, aber ich sage jedem gerne, was ich denke, und ich erläutere das auch. Ich muss aber niemanden von seinem Glauben abbringen. Offensiver nach außen trage ich meine Weltanschauung nur, wenn es darum geht, Einschränkungen der persönlichen Freiheit von mir oder anderen abzuwehren.
- Selbstbestimmtes Leben und selbstbestimmtes Sterben
Beides finde ich unverzichtbar und nicht geeignet für Kompromisse. In der Diskussion um selbstbestimmtes Sterben muss man allerdings vorsichtig sein, weil das typischerweise Menschen betrifft, die in ihrer Selbstbestimmung ohnehin bereits relativ stark eingeschränkt sind. Insofern ist mancher geäußerte Sterbewunsch weniger wirkliche Selbstbestimmung als der Versuch, den tatsächlichen oder vermeintlichen Bedürfnissen mit der Pflege oder den Behandlungskosten belasteter Angehöriger nachzugeben. Demenz oder fehlendes Verständnis moderner Medizin machen es den Betroffenen oft auch schwer, die eigene Situation realistisch einzuschätzen. Insofern erscheint es mir sinnvoll, in diesem besonderen Fall ein Gegengewicht zu schaffen, das dafür sorgt, dass das Eigeninteresse des eventuell Sterbenden gewahrt bleibt.
- Was schadet der Gesellschaft aktuell am meisten
Versuche, sich gegenseitig oder von staatlicher Seite zu bevormunden, sei es aus religiösen, sozialen oder ökologischen Motiven.
- Stille bzw. unbekannte Humanisten
Ich bin kein großer Freund von Personenkulten, und die werden dadurch nicht besser, dass man noch mehr bislang unbekannte Personen hinzufügt.
- Humanismus und Spiritualität
Nein. Letztlich bedingen neue Orte der Spiritualität ja wieder neue Rituale, denen sich irgendjemand unterwerfen muss, um sie mit Sinn zu füllen. Geeignete Orte für Besinnung gibt es ohnehin reichlich, bedingt durch besondere Landschaften oder eine besondere Geschichte, viele auch bewusst geschaffen als weltliche Denkmäler oder Kultstätten früherer oder noch existierender Religionen. Von den wenigsten dieser Kultstätten sind Ungläubige ausgeschlossen. Wer das Bedürfnis hat, solche Orte aufzusuchen, hat reichlich Auswahl.
- Zukunft und Wünsche
Nein. Letztlich bedingen neue Orte der Spiritualität ja wieder neue Rituale, denen sich irgendjemand unterwerfen muss, um sie mit Sinn zu füllen. Geeignete Orte für Besinnung gibt es ohnehin reichlich, bedingt durch besondere Landschaften oder eine besondere Geschichte, viele auch bewusst geschaffen als weltliche Denkmäler oder Kultstätten früherer oder noch existierender Religionen. Von den wenigsten dieser Kultstätten sind Ungläubige ausgeschlossen. Wer das Bedürfnis hat, solche Orte aufzusuchen, hat reichlich Auswahl.