Dr. Ingeborg Wirries
NIEDERSACHSEN-BREMEN RELIGION UND WELTANSCHAUUNG IBKA NDS-HB
"Für unseren vierten und letzten Infostand dieses Jahres am Samstag, 24.Oktober 2015 war uns der Platz an der Skulptur „Leute im Regen“ in Hannovers Innenstadt zugewiesen worden – ein belebter und doch ruhiger Standort, gut geeignet für Gespräche mit den Menschen, die hier ohne Hektik vorbeikamen und bei uns stehenblieben. Keine „Leute im Regen“ – es herrschte freundliches, mildes Herbstwetter. Mit fünf Aktiven machten wir von 11 Uhr bis ca. 15 Uhr auf unsere aktuellen Schwerpunkte aufmerksam.
Mit Blick auf den kommenden Reformationstag ging es natürlich vor allem um Martin Luther, um seine von der Evangelischen Kirche dem Kirchenvolk (oder zutreffender gesagt: „Kirchenvölkchen“ von nur noch 22,63 Millionen Mitgliedern; Tendenz weiter fallend; aktuelle idea-Umfrage bei den Landeskirchenämtern und der EKD) beharrlich verschwiegenen oder – wo das nicht geht – weichgezeichneten menschenverachtenden Positionen.
So schreibt Luther in seiner 1543 erschienenen Hetzschrift „Wider die Juden und ihre Lügen“: „Ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist’s um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch immer sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen. Das ist nichts anderes.“7-Punkte Programm gegen die Juden
Im Text dieser Schrift folgt dann ein „7-Punkte-Programm“, das den „lieben Fürsten und Herren“ nahelegt, „dass ihr und wir alle der unleidlichen, teuflischen Last der Juden entladen werden…“. Diese Attacke – jenseits jeder gern reklamierten „christlichen Nächstenliebe“ - ist überhaupt kein Ausrutscher. In seinen weiteren Schriften, Vorlesungen, Predigten, Tischgesprächen wird erkennbar: Luthers religiös motivierter Antijudaismus und Antisemitismus sind markanter Bestandteil seiner Theologie und seiner Kirchenpolitik. Übrigens: Der deutsche Philosoph Karl Jaspers sagte nach dem Ende der Nazi-Diktatur im deutschen Bundestag: „ Was Hitler getan hat, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung in den Gaskammern.“ (zitiert nach Bischof Ralph Napierski „Luther ein Vater des Antisemitismus“).
Foto vom Stand
Aus unserem Luther-Flyer wiesen wir auf weitere höchst unchristliche Aussagen Luthers hin. So etwa über die Frauen: „…Wenn sie sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts, sie sind dazu da…“(aus: M. Luther „Vom ehelichen Leben“; Luther-Werke Bd.7, S. 292 und 304) .Oder über Behinderte: „Wenn man aber von den teufelsähnlichen Kindern erzählt, von denen ich einige gesehen habe, so halte ich dafür, dass sie entweder vom Teufel entstellt, aber nicht von ihm gezeugt sind, oder dass es wahre Teufel sind.“ ( aus: opery exgetica; Erlanger Ausgabe II; S. 127). Auch hier Reaktionen wie „Ich kann’s nicht glauben! Das alles habe ich nicht gewusst. Im Religions- und Konfirmandenunterricht und in der Kirche habe ich nie von all dem gehört ...“
Religionspädagoge betreibt Ehrenrettung
Ein Besucher, der sich als Religionspädagoge vorstellte, versuchte eine Ehren-rettung Luthers: Man müsse das im historischen Kontext sehen. Der Zeitgeist war damals eben so. Wir sollten Luthers Verdienste um die deutsche Sprache nicht vergessen, und seine schönen Kirchenlieder ... Diese Verteidigungsstrategie ist uns schon bei unseren früheren Oktober-Infoständen begegnet. So reden auch die meisten evangelischen Kirchenfunktionäre aller Ebenen, wenn man/frau sie auf die inhumane Denk- und Redeweise Luthers mit ihren realen schändlichen Aus-wirkungen für die Menschen seiner Zeit und der Folgezeit, nicht zuletzt der Nazi-Zeit anspricht. Und bei dem Verweis auf die massenhafte, von der Kirchenspitze ange-ordnete Solidarisierung vom Pfarrer bis beispielsweise zum Evangelischen Landesbischof von Thüringen, Martin Sasse (seine Schrift: „Martin Luther über die Juden – Weg mit ihnen“, Freiburg 1938; S.2) mit dem NS-System wiegeln sie ebenso ab und verweisen gerne auf Dietrich Bonhoeffer und die wenigen Aufrechten der „Bekennenden Kirche“.
NIEDERSACHSEN-BREMEN ORGANISATIONEN, AKTIVITÄTEN, PERSÖNLICHKEITEN IBKA NDS-HB
"In diesem Jahr fanden die Veranstaltungen zum „Tag der Arbeit“ in Hannover erstmals am Neuen Rathaus statt.
Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und vielen anderen Organisationen war der IBKA/Landesverband Niedersachsen-Bremen dort wieder mit einem Info-Stand vertreten. Der Schwerpunkt wiederum: „Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz!“ Dieses Ziel der GerDiA-Kampagne[1] von 2012 ist trotz ermutigender Gerichtsurteile noch längst nicht erreicht. Deshalb unser Motto: „Kirchliches Arbeitsrecht – abschaffen!“
Wir waren mit drei Vorstandsmitgliedern und einem Sympathisanten, der auch aktiver Gewerkschaftler und Betriebsratsmitglied ist, ca. fünf Stunden „vor Ort“ und begegneten einem überaus aufgeschlossenem Publikum. Trotz Nieselwetter und auch Regen führten wir eine Vielzahl guter Gespräche. Nicht wenige Menschen wussten um die Problematik des sog. „Dritten Weges“. Allerdings war etlichen von ihnen der IBKA noch unbekannt und wurde mit Zustimmung und Ermutigung für unsere Arbeit kommentiert. Auch diesmal ging insbesondere unser „Säkular? Na klar!“-Flyer und der „Politische Leitfaden“ „weg wie warme Semmeln“.
Unsere 3. Aktion 2014 findet am Samstag, 20. September 2014 in Hannover statt. Mit den Schwerpunkten „Reli Adieu!“/Religion ist kein Unterricht und zum Kirchenaustritt /“Ein Kirchenaustritt rechnet sich – für alle!“.
Dr. Ingeborg Wirries, Ronnenberg
[1] http://www.ibka.org/presse12/gerdia-aktionstag
NIEDERSACHSEN-BREMEN IBKA IBKA NDS-HB
Stellvertretende Landessprecherin
"Wer, wie ich, um 1940 geboren wurde, rutschte da „einfach so“ rein: Taufe (katholisch) mit den üblichen Ritualen. Aber ich hatte Glück, und meine religiöse Sozialisation ist gründlich missglückt: In meinem Elternhaus wurde Liberalität und Humanität gelebt, jenseits von Kirche und Religion. Meine Gymnasialschulzeit verlief ebenfalls in recht offener Atmosphäre (z.B.: G.E. Lessings „Nathan der Weise“ gehörte zum Unterricht dazu).
Seit Juni 2012 bin ich aktives Mitglied im IBKA und seit März 2014 stellvertretende Landessprecherin im Landesverband Niedersachsen-Bremen. Ich engagiere mich für die Ziele dieser politischen Organisation, weil ich die in der Bundesrepublik Deutschland vorfindliche Verfilzung zwischen Staat und Kirche unerträglich finde. Sie ist grundgesetzwidrig ( Artikel 140 des Grundgesetzes). Sie ist auch höchst ungesund für eine Demokratie und eine liberale Gesellschaft. Ebenso unerträglich ist, dass die sog. christlichen Kirchen sich zum Monopolanbieter im Bereich der Sozialeinrichtungen entwickeln konnten und ihren MitarbeiterInnen ihre religiösen Bedingungen aufzwingen können. Das passt nicht für eine plurale Gesellschaft. Es diskriminiert Andersdenkende. Diese Missstände zu beenden – dafür setze ich mich ein."