Udo Pollmer

Pollmer, Udo                                              Fotografie©evelinFrerk.

Udo Pollmer, Lebensmittelchemiker; Wissenschaftsjournalist; Giordano Bruno Stiftung Beirat

 

Udo Pollmer - Evelin Frerk - 5-Minuten Statement
"Das Huhn

Man meint, die Freilandhaltung sei bei den Hühnern das non plus Ultra. In der Praxis gibt es dabei Probleme. Zum Beispiel gibt es Fälle, in denen der Betrieb innerhalb eines Jahre bis zu 30 % der Hennen verliert. Nicht, weil sie davon laufen sondern weil sie sterben. Entweder an  Parasitosen oder weil sie von ihren ArtgenossInnen tot gehackt werden.

Zunächst. Für das Huhn ist wichtig, zu einer Hühner-Herde von 12 bis 20 Tieren zu gehören. Darin bildet sich ein stabiles Sozialsystem und daraus entsteht die Hackordnung. Hier wird festgelegt, welches Huhn oben ist und welches am Schluss kommt. Das letzte Huhn hat dann die Bäuerin irgendwann herausgefischt, weil es doch nicht mehr wollte oder weil es nicht mehr ging.

Wenn ich nun aber 5.000 Hennen zusammen habe, passiert etwas ganz anderes. Die haben vor einander Angst und sind hochgradig aggressiv. Die Aggressivität kann man den Hühnern leider nicht „auszüchten“. Je aggressiver ein Huhn ist, desto mehr Eier legt es.
In der Folge beginnt nun  bei einer großen Herde das große Hacken. Sie picken sich erst die Federn aus und dann holen sich die Hennen die Fleischzulage. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung ist das Huhn kein Grasfresser. Das Huhn hat scharfe Krallen um die Erde aufzuwühlen und die Würmer herauszupicken und einen scharfen Schnabel um diese zu töten und verspeisen zu können.

Und deshalb bedeutet diese Massen-Freiland-Haltung für das Huhn einen ganz massiven Stress. Aber, es kommt noch mehr dazu: Vor alle das Problem mit den Parasiten und den Krankheiten. Überall wo sich eine Masse von Tieren frei bewegt hat es zur folge, dass sich dort alle möglichen Parasiten entwickeln  können und im Freiland bleiben sie auch erhalten. Das heißt, was ausgeschieden wird bleibt liegen und kann erneut Infekte hervorrufen.
Im Stall wird der ganze Schiet zusammengekratzt. Danach wird die Anlage desinfiziert und der Fall hat sich. Das ist der Grund, warum es bei der Bio-Haltung von Tieren der Einsatz von Antiparasitika  freigestellt ist und nicht der Bio-Verordnung unterliegt.

Die Bios brauchen deutlich mehr Antiparasitika und die anderen, die Stallhaltung betreiben mehr Antibiotika. Das sind zum Schluss Null-Summen-Spiele. Wenn die Tiere draußen sind,  sehe ich die Krankheiten im Kreise laufen: Ich bekomme  ungebetenen Gäste dazu wie Spatzen, Tauben, Krähen, aber auch Mäuse, vielleicht sogar Ratten. Natürlich werden Krankheiten hin- und her geschleppt.

Die Hühner selbst stammen aus großen Zuchtprogrammen und es kann sein, dass auch schon einmal beim Einkaufen eine Krankheit eingeschleppt wird. Wenn das der Fall ist, habe ich im Stall die Krankheit im Griff. Die Hennen werden getötet, der Stall desinfiziert, dann schickt man mal  eine Woche später wieder ein paar Hühner in den Stall und schaut was passiert. Wenn ich das aber im Freiland habe weitet sich diese neue Krankheit über unser Federvieh in unserer Vogelwelt aus.

In so fern ist die Freilandhaltung eben  ein bisschen problematisch. Hinzu kommt ein ökologisches Problem. Im Stall bin ich in der Lage, den Kot einzusammeln und als Dünger weiterzuverwenden. So ist das üblich und ich habe einen Kreislauf. In dem Moment, wo ich die Hühner draußen kacken lasse habe ich diesen Kreislauf nicht mehr, weil eben der Hühner-Schiet  dort gerade n i c h t   düngt.   Anders ist es beim Rind. Das Rind ist ein Weidetier. Da kann ich tausende von Rindern draußen auf der Weide halten. Das stört ja auch nicht weiter und sie düngen mit ihrem Kot. Das ist beim Huhn anders. Das Huhn scharrt. Nebenbei bemerkt, dem Huhn ist die große Weidefläche ein Graus, es hockt lieber unter Büschen hockt und hat ein Laubdach über sich.

Aber, weil das Huhn scharrt, um Würmer zu finden wächst überall dort wo das Huhn war   k e i n  Gras mehr und deshalb hat der Dünger keine Aufgabe als Dünger sondern geht ins Grundwasser und in die Atmosphäre und zwar zu Hundert Prozent. Damit haben wir hier ein Umweltproblem.

Bei der Hühner-Haltung bietet sich zwischen der Tierquälerei durch  Massen-Freiland-Haltung, Umweltbelastung, Hygiene-Probleme und Arzneimittel-Problemen mit der sogenannten Volieren- und Kleingruppen-Haltung ein Kompromiss an.

Bei kleinen Gruppen stellt sich ein stabiles Sozialsystem ein und bleibt erhalten. Ob es tatsächlich funktioniert sehe ich daran, ob die Hühner in ihre Nester gehen  um dort ihre Eier zu legen oder ob die ihr Eier "verlegen". Das machen sie nämlich, wenn sie  nicht zufrieden sind.  Man muss sie einsammeln und das ist teuer.
Mit der Volieren- oder Kleingruppenhaltung hat man das beste Ergebnis. Das einzige, was dagegen spricht sind die Tierschützer: Ein Huhn muss zum Spielen in die frische Luft,  sagen sie und kann nicht in einem Käfig gehalten werden."

Udo Pollmer – ein 5 Minuten Statement - © UdoPollmer – Auszüge bedürfen der schriflichen Anfrage und Autorisierung.

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Udo Pollmer wurde 1954 in Himmelpforten geboren. 1981 legte er sein Staatsexamen für Lebensmittelchemiker an der Universität München ab. Von 1991-99 war er Lehrbeauftragter an der FH Fulda am FB Haushalts- & Ernährungswissenschaften, von 1994-96 Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg, ebenfalls am FB Haushalts- & Ernährungswissenschaften. Seit 1995 ist Udo Pollmer Wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Institutes für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften e.V. (EU.L.E.). Pollmer hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und ist regelmäßig Gast in Hörfunk und TV.

Öffentlicher Vorträge von Udo Pollmer, beispielsweise 
"Die Angst vor fremden Genen - was Befürworter und Kritiker der Gentechnik gerne verschweigen"
 

 

Veröffentlichungen (Auswahl):

Iß und stirb - Chemie in unserer Nahrung, Köln 1982 (mit E. Kapfelsperger)
Prost Mahlzeit - Krank durch gesunde Ernährung, Köln 1994 (mit A. Fock, U. Gonder, K. Haug)
Liebe geht durch die Nase - Was unser Verhalten beeinflußt und lenkt. Köln 1997 (mit A. Fock, U. Gonder, K. Haug)
Vorsicht Geschmack - Was ist drin in Lebensmitteln. Stuttgart 1998 (mit C. Hoicke, H.-U. Grimm)
Wohl bekomm's! Was Sie vor dem Einkauf über Lebensmittel wissen sollten. Köln 2000 (mit B. Schmelzer-Sandtner)
Lexikon der populären Ernährungsirrtümer. Frankfurt/Main 2001 (mit S. Warmuth)
Mythos Cholesterin – die zehn größten Irrtümer. Stuttgart 2002 (von U. Ravnskov, Hrsg. Pollmer)
Lexikon der Fitneß-Irrtümer Frankfurt/Main 2003 (mit G. Frank, S. Warmuth)
Esst endlich normal! Piper, München 2005
Website:

http://www.euleev.de/index.php?option=com_content&view=article&id=62&It…