Gernot Back

Gernot Back

... Selbstironie ist gerade das, was meine Spiritualität ausmacht

Selbstdefinition

Naturalistisch, atheistisch; der Begriff "agnostisch" geht mir nicht weit genug. Ich finde ihn zu wischi-waschi, - nicht kämpferisch genug"Gottloser" gefällt mir in dieser Hinsicht als Geusenwort am besten.

In seiner Bibelübersetzung stellt Luther den Begriff des „Gottlosen“ dem des „Gerechten“ gegenüber. Darin drückt sich in Wahrheit aber nur die Selbstgerechtigkeit von Gottgläubigen aus, die sich für etwas moralisch Besseres halten wollen. Dadurch, dass ich den Begriff als Eigenbezeichnung nehme, stelle ich diese Leute bloß. Ebenso bezeichne ich mich selbst lieber als "schwul" und nicht so gerne als "homosexuell". Letzteres klingt mir zu technisch.

Im Englischen bezeichne ich mich auch gerne als "Bright", manchmal ironisch sogar als "bright and gay" in Kombination. Diese Kombination wirkt nämlich normalerweise im Englischen ziemlich spießig und wird von Leuten verwendet, die damit klarmachen wollen, dass sie "gay" in der ursprünglichen Bedeutung im Sinne von "farbenfroh, fröhlich" und - um Himmels Willen - nicht im Sinne von "schwul" verstanden wissen wollen. Anders als im Englischen versteht im Deutschen kaum einer diese Hintergründe des Begriffs "Bright", Deshalb halte ich "Gottloser" als kämpferische Eigenbezeichnung für geeigneter, auch wenn ich mich damit negativ über etwas definiere, von dessen Nicht-Existenz ich überzeugt bin;

Entscheidende Erfahrungen

ich bin wie die meisten ungefragt getauft worden. Meine Eltern haben mich in die römisch-katholische Kirche eingetreten; mit meinem Glauben hatte das nie auch nur das Geringste zu tun und vermutlich mit ihrem Glauben auch nicht viel: Sie wollten wohl in erster Linie nur, dass ich einen Kindergartenplatz bekomme und ich und sie selbst nicht schief angeschaut werden.

Aufgrund dessen wurde ich wohl auch im Alter von acht Jahren gegen meinen expliziten Willen zur Teilnahme am kannibalistischen Ritual der ersten "heiligen Kommunion" genötigt.

Im vorausgehenden Religionsunterricht war ich bereits mit einer "kindgerechten" Version des sechsten Gebotes konfrontiert worden, die da so ähnlich lautete wie "Du sollst deinen Körper heiligen, er ist ein Tempel Gottes". Ich wusste sofort genau, was damit gemeint war, denn nach dem erstmaligen Besuch der Schulärztin in der ersten Klasse, der wir - nur mit Unterhose bekleidet, die Jungs auf der einen Seite des Klassenzimmers, die Mädchen auf der anderen - zur lnspektion unserer Geschlechtsteile vorgeführt worden waren, habe ich jeden Abend im Bett masturbiert und dabei fast immer nur über Geschlechtsgenossen fantasiert, durch die kirchliche Indoktrination lange Zeit auch mit schlechtem Gewissen. 

Elitär

Der Grundsatz "Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg' auch keinem anderen zu" ist eine Universalie aller menschlichen Kulturen. Religionen haben ihn sich immer nur zu eigen gemacht, aber nicht erfunden. Auch hier finde ich die englische Variante "Do as you would be done by" besser, da sie anders als die deutsche positiv formuliert ist und damit auch näher an Kants Kategorischem Imperativ liegt. Man braucht den Grundsatz, von dem sich die gesamte Ethik ableiten lässt also gar nicht so kompliziert zu formulieren wie Kant. Es bedarf auch keiner großen Intelligenz, um seine Nützlichkeit einzusehen und ihn zu beherzigen.

Religiöse Zwänge

Früher hätte ich vielleicht noch einen besonderen Kick daraus gezogen, mal eine christliche Kirche zu "schänden". Nachdem in letzter Zeit allgemein sichtbar wird, dass dies kirchliche "Würdenträger" selbst viel besser können, ist dieser Gedanke uninteressant für mich geworden. Ich bin mir aber bewusst, dass auch mein diesbezüglicher Sarkasmus immer noch etwas Zwanghaftes an sich hat.

Konkrete Eigenerfahrungen mit Religiosität

Nennen wir das mal "Spiritualität": Ja, damit habe ich Erfahrung. Drogen können so etwas verstärken: Medikamente, Alkohol und sexuelle Stimulanzien. Wenn ich mich solchen spirituellen Erfahrungen aussetzend, das tue ich auch bedingt durch die starken Nebenwirkungen meiner Anti-HIV-Medikation täglich, betrachte ich mich gleichwohl dabei selbst immer etwas amüsiert. Ich möchte fast sagen: diese Selbstironie ist gerade das, was meine Spiritualität ausmacht.

Glaubensfreie Alternativen

Ich halte nicht viel von Zeremonien, Ritualen und sonstigen (pseudo-sakralen Symbolen), im Allgemeinen finde ich so etwas nur lächerlich. Das beginnt schon damit, wenn bei Demonstrationen mit irgendeinem politischen Anliegen irgendwelche Kreuze oder schwarzen Särge durch die Gegend getragen werden, als Symbol dafür und Kritik daran, dass irgendetwas "zu Grabe getragen" werden droht. Es setzt sich in einer Aversion gegen Gedenk-, Eröffnungs- und Abschlussfeiern mit geladenen Würdenträgern in speziellen Roben nebst Streichquartett fort.

Vier Trauerfeiern anlässlich des Todes meiner Großeltern und eines Onkels habe ich miterlebt. Die ersten beiden (katholischen) Trauerfeiern waren eine Katastrophe: Der Priester spulte nur ein Programm ab, das mit meinen Großeltern nichts zu tun hatte. Der Priester hatte in einem Fall auch noch den Termin zunächst "verschwitzt" und musste mit einer dreiviertelstündigen Verspätung auch noch erst gerufen werden. Die letzten beiden Beerdigungen, die meiner Großmutter und die meines Onkels (ohne Priester) waren jedoch sehr gelungen: Mein Vater bzw. eine Cousine hielten sehr angemessene Reden. Da machte es auch nichts, dass in einem Fall der Beerdigungsunternehmer die bestellte Musik und den Trauerschmuck vergessen hatte.

Es gibt darüber hinaus durchaus auch Dinge, von denen ich meine, dass ich sie nur in ritualisierter Form leben kann. So halte ich z.B. seit Jahren vom Morgengrauen des Neujahrstages an sieben Wochen lang, höchstens jedoch bis Weiberfastnacht eine somit zeitlich begrenzte, strikte Alkoholabstinenz ein. Das ist als Selbsttest gedacht: Sollte ich das einmal nicht mehr schaffen, so habe ich mir "geschworen", müsste ich mich als suchtkrank betrachten und fremde Hilfe in Anspruch nehmen.

Freiheit, eigene Wünsche und Gedanken zu leben

Ich bin leider meist unzufrieden mit mir selbst und meinem Leben. Selten blitzt aber auch mal so etwas wie ein totales Glücksgefühl auf.

Ich denke, es liegt in der Natur der Sache, dass "Glück" etwas Flüchtiges ist. Der Begriff der "Leidenschaft" ist ja auch nicht von ungefähr sehr ambivalent. Wenn ich eine Herausforderung gut gemeistert habe, dann empfinde ich manchmal sogar auch einen erotischen Bezug zu meiner Arbeit. Oft empfinde ich sie aber auch nur als monotones, notwendiges Übel zum bloßen Lebensunterhalt,

Zusammenhang zwischen Humanismus und Aufklärung

"Humanismus", - ich weiß eigentlich gar nicht, was das sein soll! Da steckt der Begriff "Homo", "Mensch" drin und dadurch erscheint mir der Begriff verdächtig "anthropozentrisch". Wir sind als Menschen nicht die "Krone der Schöpfung", auch nicht der Endpunkt der Evolution.

Jedes vernunftbegabte Wesen hat die Verantwortung, sich seines Verstandes zu bedienen, das bedeutet für mich Aufklärung. Es bedeutet auch, bereits "gewonnene" Erkenntnisse bei Auftreten neuer Fakten immer wieder in Frage zu stellen.

Allerdings ist die definitorische Trennung zwischen Humanismus und Aufklärung müßig, solange wir als Menschen keinen Wesen begegnen, die auch nur annähernd an unsere intellektuellen Fähigkeiten heranreichen.

Praktischer Humanismus

Die Anliegen der Aufklärung bringe ich anderen nahe, indem ich mich ihnen gegenüber mit meiner ganzen Persönlichkeit klar und deutlich äußere. Das tue ich in Internetforen, so wie jetzt auch hier, zuweilen auch, indem ich meine Meinung in meiner Kleidung, etwa auf T-Shirts zum Ausdruck bringe.

Selbstbestimmtes Leben und selbstbestimmtes Sterben

Da bin ich sehr dafür; allerdings denke ich, dass vollkommene Selbstbestimmung ein Ideal ist, dem wir uns immer nur weiter annähern, das wir aber nie ganz erreichen können. Ob ich den Mut hätte, als ultima Ratio ggf. auch einmal den Freitod zu wählen, weiß ich nicht. Ich persönlich glaube auch eher, dass ich der Natur ihren freien Lauf lassen würde. Das schließt einen Freitod genauso aus wie eine sinnlose Lebensverlängerung.

Was schadet der Gesellschaft aktuell am meisten

Wie von jeher schadet der Gesellschaft die Toleranz gegenüber der Intoleranz am meisten. Es ändert sich gerade aber eher etwas zum Positiven: Schwule und Lesben leben heute zumindest im westlichen Kulturkreis viel selbstbestimmter. Unsere Zivilisation ist auch immer weniger bereit, sexistische oder rassistische Diskriminierungen zu akzeptieren. Das betrifft auch (vermeintlich) selbst gewählte Kleidungsstücke, wie Burka, Niqab oder Klu-Klux-Klan-Kutten. Extrawürste für Eltern, die meinen, sie dürften ihren Kindern einen bestimmten Glauben aufzwingen und ihnen bestimmte Lehrinhalte vorenthalten, werden hoffentlich auch bald nicht mehr gebraten, 

Stille bzw. unbekannte Humanisten

Bestimmt gibt es Millionen, es müssen aber auch nicht alle Humanisten und Aufklärer einander bekannt sein, es lohnt nur bei solchen, die etwas wirklich Neues zu sagen haben. Ob das z.B. bei mir der Fall ist, da bin ich eher skeptisch,

Humanismus und Spiritualität

Humanismus und Spiritualität? Siehe Frage "Leben Sie glaubensfreie Alternativen zu religiösen Ritualen? Wenn ja, welche?".

Mir persönlich würde das wenig bedeuten, es nähme sich möglicherweise sogar eher lächerlich aus.

Zukunft und Wünsche

Die Vernunft wird sich über kurz oder lang immer weiter durchsetzen.

Antworten © Gernot Back
„Epikurs Garten” - „Who is Hu” - Gesichter gegenwärtiger Humanisten © Evelin Frerk (435)

Epikurs Garten - Gernot Back