Uwe Kalkbrenner

Uwe Kalkbrenner

... Der lange Arm der Glaubens-Tradition reichte auch in der DDR bis in die 60-iger Jahre hinein

Selbstdefinition

Weltlicher Humanist, Naturalist

Entscheidende Erfahrungen

Erfahrungen im persönlichen Leben (Christenlehre, Junge Gemeinde-Familie, Bekannten- und Freundeskreis, berufliche und ehrenamtlich verschiedene gesellschaftliche Aktivitäten. Aneignung von Geschichtswissen bis zur Gegenwart mittels Sekundärliteratur. M. Schmidt-Salomon, C. Frerk, H. Mynarek, G. Lüdemann, J. Kahl u. v. a. Gespräche mit Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft und Bildung und das vor und nach der Wende, sowohl mit fundamental-religiös orientierten oder kirchennahen Menschen, als auch Begegnungen mit Religionskritikern wie Dr. Paul Schulz. Die intellektuelle Redlichkeit und der eigene Anspruch an Verantwortung für das Heute und Morgen gebietet ein humanistisches Menschen- und Weltbild einschliesslich schlussfolgernder persönlicher Handlungsstrategien.

Elitär

Religiöse Riten und Gewohnheiten aufzubrechen und  zum eigenen kritischen Denken anzuregen, ist in der Tat für alle Demokraten und Humanisten eine Herkulesaufgabe. Die Kernfrage lautet doch meines Erachtens: Sind diese Werte und Ziele denn umsetzbar bis in die kleinste Zelle der Gesellschaft? Ungerechte und unsoziale Verteilung des Volksvermögens fordern die Entsolidarisierung geradezu heraus. Die Tatsache, dass Reiche immer Reicher werden und bildungsfernere Schichten immer mehr an den existentiellen Abgrund getrieben werden, lassen der Vernunft und Gerechtigkeit kaum Entfaltungsmöglichkeiten. Menschen für diese Thematik zu sensibilisieren, heißt in ihre ganz konkrete Erfahrungswelt einzusteigen. Religion und Kirche mit Hilfe der modernen Medien zu enttabuisieren. Alle Aktivitäten säkularer Verbände  wie „gerdia", „Mein Körper gehört mir" oder gegen rituelle Beschneidung müssen aufmerksam machen, wachrütteln, Widerstand und konkretes Handeln in der ganzen gesellschaftlichen Breite bewirken. Die Machtfülle der Kleriker, ihr unhinterfragbarer Sonderstatus, Einfluss in Politik und Gesellschaft müssen öffentlich gemacht und  damit ins Bewusstsein gerückt werden. Die konsequente Trennung von Staat und Kirche (einschließlich der sinnvolleren Nutzung der finanziellen Ressourcen) muss weiter fokussiert werden. Hier sind alle Kooperationspartner meiner Meinung nach in der „richtigen Spur“.

Religiöse Zwänge

Im Elternhaus war die religiöse Erziehung liberal. Meine Eltern eher Agnostiker. Der lange Arm der Glaubens-Tradition reichte leider bis in die 60-iger Jahre hinein (auch in der DDR).

Konkrete Eigenerfahrungen mit Religiosität

Der Wunsch nach Schutz, Geborgenheit, Sicherheit, Gesundheit etc. ist sicher ein Grundbedürfnis aller Menschen. Die Neuronen „produzieren“ unentwegt Gedankenbilder, Scheineiten. Gespeicherte Meme dominieren die ersten Schritte im Leben. Die geistige Vorstellung Übermenschliches zu leisten, war auch mir nicht fremd. Ein Gefühl der Leichtigkeit und Unermesslichkeit war zwar realitätsentfernt und bar jeder Vernunft, aber nicht unangenehm. Die Flucht in eine Scheinwelt, die wärmende Illusion des ewigen Seins zerplatzte wie eine Seifenblase in Konfrontation mit dem täglich Erlebtem. Das Wissen über Gesetzmäßigkeiten der Natur, Erkenntnisse der Wissenschaft in Forschung und Technik und kritisches Hinterfragen aller Erscheinungsformen in der Gesellschaft Hessen keine anderen, vernünftigen Schlussfolgerungen zu, so mein Denken und Handeln auszurichtende es derzeit der Fall ist.

Glaubensfreie Alternativen

Meinen Wertekanon messe ich an den Idealen des Humanismus und der Aufklärung. Nicht immer Widerspruchsfrei, auch prüfend und selbstkritisch den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden. Rituale werden nicht praktiziert, wohl aber eine für alle akzeptable Lebenskultur.

Freiheit, eigene Wünsche und Gedanken zu leben

Das Schöne und zugleich Befremde ist, wenn ich meine Wünsche und Gedanken meinen Mitmenschen kommunizieren kann. Sind die Grundwerte(Menschen-u. Weltbild) identisch kann ich ungeahnte Höhen erreichen. Auch bei unterschiedlicher Sicht-u. Herangehensweise stellt sich so etwas wie Glück und Zufriedenheit ein. Jenseits jedweder Selbstdarstellung und Narzissmus.

Zusammenhang zwischen Humanismus und Aufklärung

Für mich sind diese Begriffe Lebensbausteine und Lebensmaxime. Für eine gerechtere und friedliche Zukunft der Menschen in einer intakten Umwelt ist die konsequente Weiterführung der zielführenden Prämissen geradezu unabdingbar.

Praktischer Humanismus

Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit. Sie entfaltet erst im Lebensalltag, im Miteinander seine Glaubwürdigkeit und Würde. Ich lasse kaum eine sich bietende Gelegenheit aus, die Seiten des praktischen Humanismus zu leben. Die Nachlässigkeit bestünde darin nachzulassen und der Beliebigkeit Raum zu geben.

Selbstbestimmtes Leben und selbstbestimmtes Sterben

Der Mensch ist frei geboren und hat per se ein Grundrecht auf Selbstbestimmung seiner Persönlichkeit und seiner Entwicklung. Dieses Selbstbestimmungsrecht gilt auch dann, wenn der Patient keine lebenswerte Alternative hat und den Zeitpunkt des Sterbens selbst entscheiden kann.

Was schadet der Gesellschaft aktuell am meisten

Der expandierende, rücksichtslose Turbokapitalismus. Die Überfrachtung des Konsumangebotes, die manipulierte Hinlenkung zu ungezügeltem Konsumrausch. Unkritische Menschen gezielt von wirklichen Problemen in der Gesellschaft abzulenken. Das Streben der Religionen zunehmend die Bildungslandschaft zu besetzen und damit die "Köpfe" u. a. mit archaischem Gedankengut(Fach Religion, Kreationismus) zu beeinflussen. Führungs-u. Entscheidungsgremien in Staat u. Gesellschaft mit religiösen Eiferern und Ewiggestrigen zu besetzen(Medien, Ethikräte etc.) Das ungehinderte auseinanderdriften der Schere zwischen Arm und Reich und die damit einhergehende Entsozialisierung.

Stille bzw. unbekannte Humanisten

Es gibt mit Sicherheit eine Vielzahl von Humanisten. Leider ist die Courage derer scheinbar im Herbst 1989 auf der Strecke geblieben. Man beugt sich besser den Autoritäten. Angepasste, Ängstliche, vor beruflichen Nachteilen sich Fürchtende oder Ignoranten gibt es Tausendfach. Nur einige Wenige sind bereit und Willens ihre kritische Meinung zu publizieren. Oftmals werden diese dann mit dem Totschlagargument belegt, die Ideale der DDR-Diktatur und des Kommunismus verteidigen zu wollen. Vielleicht ist es auch bequemer und ruhiger, sich nur um die ganz persönlichen Angelegenheiten zu kümmern

Humanismus und Spiritualität

Diese Orte des Gedenkens, der Mahnung oder des Erinnerns für die jetzige Generation, als auch für die Nachgeborenen, sollten unbedingt zum kulturellen Alltag gehören. Humanistische Persönlichkeiten, die unseren Planeten zu einem besseren Ort der Menschen halfen mitzugestalten und selbstlos ein hohes Risiko getragen haben, sollten ein Anrecht postum darauf haben, dass wir diese Lebensleistung zu würdigen wissen. Ohne jeden übertriebenen Pathos.

Zukunft und Wünsche

So erfolgreich und entschlossen wie sich gegenwärtig die Arbeit aller beteiligten humanistisch orientierten Organisationen, Vereine und Interessengruppen zeigtest auch mein Optimismus und Vertrauen in jeden einzelnen der Mitstreiter. Die weitere gut gemachte Öffentlichkeitsarbeit und Debatten müssen intensiviert und weiter gefördert werden.

Antworten © Uwe Kalkbrenner
„Epikurs Garten” - „Who is Hu” - Gesichter gegenwärtiger Humanisten © Evelin Frerk (1047)