Dr. Renate Schuster
Dr. Renate Schuster
... humanistische Materialistin
- Selbstdefinition
säkular, konsequent materialistisch, humanistisch
- Entscheidende Erfahrungen
religionsfreie kindliche Sozialisierung (Familie, Schule etc.), Studium Kulturwissenschaft, Philosophie
- Elitär
religionsfreie humanistische Ethik begründbar, aber ohne Bezug zur alltäglichen Lebenspraxis "breiter Bevölkerungsschichten" zwar nicht elitär, aber weitgehend unwirksam. Es ist vielleicht nicht anzustreben, "Dienstleistungen" religiöser Gemeinschaften ersetzen oder nur mit anderen weltanschaulichen Vorzeichen spiegeln zu wollen, aber säkulare Humanisten scheinen mir gut beraten, wenn sie deren Funktionen (Sinngebung, Lebenshilfe in Konfliktsituationen, Gemeinschaftserfahrung) kennen und berücksichtigen.
- Religiöse Zwänge
biographisch bedingt religiös "unterbelichtet"
- Konkrete Eigenerfahrungen mit Religiosität
keine "Eigenerfahrung" mit Religiosität, nur langjähriges kulturgeschichtliches Interesse
- Glaubensfreie Alternativen
zunehmend weniger infolge größerer Skepsis gegen jegliche Form der Ritualisierung von Handlungen, Begegnungen, biographischen und sozialen "Schwellensituationen", dennoch Einsicht, dass Rituale unser Leben von der Wiege bis zur Bahre begleiten, ob uns das passt oder nicht. Sie haben ein "Janusgesicht", weisen auf kulturelle Traditionen, sichern die Rückbindung in Gemeinschaften unterschiedlicher Reichweite, verleihen auch banalen Handlungen einen höheren Sinn, eine über sie hinausweisende Bedeutung, erleichtern die Gewöhnung an neue Handlungserfordernisse, werden aber auch wegen ihres formalisierten Charakters, ihrer mitunter altfränkischen "Dramaturgie" als Zwang und lästige Pflichtübung empfunden. Der freiheitsliebende Mensch begegnet ihnen daher mit einigem Unbehagen oder zumindest ironischer Distanz, auch wenn er ihre kulturelle Zweckmäßigkeit durchaus einsieht. Er meidet sie, wo er nur kann, um den Preis allerdings, bei durchaus geschätzten oder gar "lieben" Mitmenschen mitunter Irritation auszulösen, als wäre er ein "Spielverderber", was er ja auch ist.Seine Verweigerung kann allerdings auch andere zum Nachdenken animieren, so dass es sich dann wieder lohnt, dergleichen "kultische Spiele" als das zu nehmen, was sie sind: Spiele eben, und bei anderen wenigstens Toleranz zu zu erreichen. Kuriose Eigenerfahrung z.B. bei "christlichen Festen". Man muss natürlich ertragen können, als "Paradiesvogel" oder "asozial" zu gelten, bei einiger Übung kann aber auch das Spass machen und selbst schon wieder den Charalkter eines Ritual annehmen.
- Freiheit, eigene Wünsche und Gedanken zu leben
keine ideologische Beschränkung, aber lebensgeschichtliche und soziale, optimal wäre natürlich, repektierte Pflichten mit Lust zu absolvieren, nicht immer möglich
- Zusammenhang zwischen Humanismus und Aufklärung
Aufklärung ermöglicht säkulare Begründbarkeit von Humanismus, wenn sie nicht bei der Religionskritik stehenbleibt. Humanismus schließt persönliche Verantwortung ein, sonst wäre er nur ein unverbindliches geistiges Konstrukt
- Praktischer Humanismus
in weltanschaulich relevanten Gesprächen und lebenspraktisch in Entscheidungssituationen z.B. zwischen "Lust und Pflicht", in der offenen Parteinahme für Menschen, die der Solidarität bedürfen, damit auch gegen ausgrenzende, diskriminierende Haltungen welcher Art auch immer
- Selbstbestimmtes Leben und selbstbestimmtes Sterben
Selbstbestimmtes Leben ist wünschenswert, aber eine Illusion, zumal das "Selbst" eine höchst dynamische Größe und - hoffentlich - wandlungsfähig, selbstbestimmtes Sterben desgleichen, die Grenzen von "Selbstbestimmung" sind allerdings nur z.T. weltanschaulicher Art, diese immerhin durch "Aufklärung" überwindbar
- Was schadet der Gesellschaft aktuell am meisten
die praktische Ohnmacht der "Mühseligen und Beladenen" gegenüber globalisierter Verschwendung von natürlichen und menschlichen Ressourcen, flankiert von medialer Verdummung, Politikmüdigkeit bei denen, deren Interessen durch politische (und ökonomische) Entscheidungungen am meisten berührt werden
- Stille bzw. unbekannte Humanisten
Vermutlich, aber wie sollen sie ermittelt werden, wenn sie sich nicht als "Humanisten" offenbaren und möglicherweise ihre tatsächliche humanistische Gesinnung und Lebenspraxis gar nicht reflektieren.
- Humanismus und Spiritualität
Orte der Erinnerung und Besinnung (mahnend, ermutigend, ehrend) ohne religiösenen Bezug existieren, sind notwendig und sollten als "Kommunikationsräume" genutzt werden.
- Zukunft und Wünsche
Humanismus - ein Wort mit gutem Klang, vielen Facetten und eigener Geschichte: Anthropologisch gesprochen geht es ums Menschsein, -können,- wollen, - sollen, um die Spezies Mensch im Unterschied zu anderen Lebensformen.
Sobald man aber diese abstrakte Ebene gedanklich verläßt, sich bewußt macht, dass es realiter "den" Menschen gar nicht gibt, sondern immer nur die menschlichen Individuen, deren Wertschätzung und Würde allerdings erst historisch spät in den Blick geriet, da wird das Konzept "Humanismus" brisant. Da kann es u.U. soziale Bewegungen, gar Revolten legitimieren, da kann es zur Bewertung von Lebensumständen wirklicher Menschen herangezogen werden. Da kann es Bildungs- und Hilfsprogramme initiieren helfen. Da müssten konsequent alle sozialen Beziehungen befragt werden nach den in ihnen enthaltenen Entwicklungsmöglichkeiten ausnahmslos aller Menschen. Da gerät gesellschaftliche Verfasstheit in allen Wirkungen auf menschlichen Lebenschancen vor den "Richterstuhl" nicht nur der Vernunft, sondern auch kultureller Ideale.Da wir "Humanismus" zum kritischen Stachel.
Seine Zukunft ist also abhängig davon, ob soziale Gemeinschaften an solcher Art Unbequemlichkeit interessiert sind, wobei ihr Überleben aber möglicherweise davon abhängt, dass sie es werden.
Renate Schuster - 12. 07.2010 |2024-02-11
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