Manfred Such
Manfred Such
... ich fordere die stillen Humanisten auf, endlich laut zu werden
- Selbstdefinition
Ich verstehe mich als Humanist und glaube grundsätzlich gar nichts, vertraue aber meinen Mitmenschen und versuche, deren Vertrauen nicht zu enttäuschen. Glaube an höhere Wesen, Wunder, Geister oder Schicksalsmächte stößt mich ab. Solchem Glauben kann ich höchstens mit Verwunderung begegnen. Toleranz ja, aber keine Toleranz den Intoleranten. Ich bin Atheist und verschweige das auch nicht!
- Entscheidende Erfahrungen
Entscheidende Erfahrungen habe ich nicht in der Form gemacht, dass es plötzlich ein "paulinisches Erweckungserlebnis" gab. Mein Leben wurde immer von der Frage nach Gerechtigkeit begleitet. Dass es im angeblichen Paradies angeblich einen Baum gegeben haben soll, dessen Früchte zu essen angeblich verboten war, konnte ich schon als Kind nicht mit paradiesischen Zustände in Einklang bringen. Das ist der Anfang der biblischen Geschichte und mein Anfang auf der Suche nach Gerechtigkeit.So setzte sich meine Kritik bis ans Ende der Bibel und bis in die heutige Geschichte der Religionen fort. "Die Kriminalgeschichte des Christentums" (von Karlheinz Deschner erforscht und beschrieben) lösten meine Selbstzweifel ebenso wie Feuerbach, Bertrand Russel, Erich Fromm bis hin zu den Religionskritikern der heutigen Zeit. Richard Dawkins oder Schmidt Salomon machen mir Hoffnung auf eine gerechtere Welt.
In meinem Beruf als Polizist und Kriminalist sowie als Politiker wurde ich mit Situationen konfontriert, die das Vertrauen an Gerechtigkeit, Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung wanken ließen. Neues Vertrauen fand ich bei Menschen, die sich aus Bevormundung und Religion befreit hatten.
- Elitär
Es kann nicht elitär sein, sich von Glauben und Religion zu befreien. Vielen wird allerdings diese Möglichkeit verwehrt, und breite Bevölkerungsschichten haben kaum eine Chance, einem System zu entfliehen, das Bevormundung, Ausbeutung und Mangel an Förderung von Eigenverantwortung wenig entgegen hält und zudem von Menschen getragen wird, die selbst schon ihrer Persönlichkeit beraubt wurden und Vernunft durch Glauben und Freiheit durch Sicherheit zu ersetzen glauben. Dagegen helfen Bündnisse, die sich der Aufklärung, einer antiautären Bildung und dem Humanismus verschrieben haben.
- Religiöse Zwänge
Meine religiösen Zwänge, in einer vom Katholizismus geprägten Kleinstadt, die von einem seit Jahrhunderten gepflegten Marienwahn und einer Wallfahrt zu einer "Ringpfostenstuhlmadonna" (so die Bezeichnung dieses als Kunstwerk angesehene, geschnitzte Bild der angeblichen Gottesmutter mit ihrem angeblich Gottessohn auf dem Schoß) habe ich zum Glück überwunden.
- Konkrete Eigenerfahrungen mit Religiosität
Katholische Religion war immer gegenwärtig: Im Elternhaus, besonders geprägt durch eine ältere Schwester, durch tägliche Gebete, religiöse Rituale, Marienaltar in der Wohnung zur Maienzeit, Rosenkranzgebete im Herbst und Teilnahme an allen religösen Veranstaltungen (Prozessionen, Andachten, ewige Anbetungen) und sogenannten Heiligen Messen sowieso. Fast täglicher Religionsunterricht in der Volksschule und in einem, humanstisch genannten, Mariengymnasium. Nach der sogenannten Ersten Heiligen Kommunion wöchentlich Sündenbekenntnis in der Beichte und fast täglich Teilnahme am Empfang des angeblichen "Leibes Christi", selbstverständlich Messdiener bis ich mit dem 14. Lebensjahr genug hatte von diesem Hokuspokus und einfach wegblieb.
- Glaubensfreie Alternativen
Glaubensfreie Alternativen als Ersatz zu religiösen Ritualen können Sehnsucht nach Vermisstem sein. Da ich religiöse Rituale nicht vermisse, sondern verabscheue, brauche ich auch solche Ersatzhandlungen nicht. Geselligkeit in überschaubaren Kreisen oder gemeinsame Handlungen oder Gespräche, Diskussionen u. v. a. m. mit Freunden, Gleichgesinnten, sind die Alternativen. Gemeinschaftserlebnisse bei Musik, Kultur und Sport passiv oder aktiv tun ihr Übriges für ein glückliches Leben ohne Gott und ohne die angeblich gottgefälligen Rituale.
- Freiheit, eigene Wünsche und Gedanken zu leben
Ich versuche, frei zu sein und meine Wünsche und Gedanken frei zu leben. Das gelingt nicht immer, aber immer mehr, insbesondere, wenn man sich in der letzten Lebensphase befindet und das Glück zu leben, immer deutlicher vor Augen hat. Es gibt dabei auch eine Balance zwischen Lust und Pflicht, die sich in Verantwortung für andere und für sich selbst Ausdruck verleiht.
- Zusammenhang zwischen Humanismus und Aufklärung
Humanismus wäre ohne Aufklärung nicht möglich, denn so lange Menschen fremdbestimmt leben, wird Humanismus, der aus sich selbst besteht, ausgeschlossen bleiben. "Du sollst Deinen Nächsen lieben wie Dich selbst" halte ich für einen befohlenen Humansimus, der weder wünschenswert noch praktikabel ist. Humanismus sollte sich nach den Bedürfnissen richten, die Menschen haben. Auch darum ist er evolutionär.
- Praktischer Humanismus
Ich halte es für richtig, sich anderen Menschen zu öffnen und seine Meinung offen zu äußern. Ich bin Atheist! Sich so zu bekennen, kann andere ermutigen, ihren Glauben zu hinterfragen, ohne, dass ich missionieren möchte. Dass man als Atheist selbstbestimmt und frei leben kann, können andere dann selbst beurteilen, an dem was ich tue oder lasse.
- Selbstbestimmtes Leben und selbstbestimmtes Sterben
Ich habe mir nicht aussuchen können, dass ich, wann ich und wo ich geboren wurde. Es hat lange gedauert, bis ich mich aus Zwängen lösen konnte. Zum Schluß möchte ich über meinen Tod selbst bestimmen, wenn ich nicht durch ihn überrascht werde.
- Was schadet der Gesellschaft aktuell am meisten
Das ist ein breites Feld und in den Gesellschaften total verschieden. In Deutschland und großen Teilen der westlichen Welt halte ich Oberflächlichkeit, Belanglosigkeit einiger unserer Medien sowie mangelnde Kompetenz und fehlende Konzepte für Nachhaltigkeit sowie eine Selbstbedienungsmentalität und Selbstdarstellung und -befriedigung so mancher Politiker für problematisch. Deren Politik ist verbunden mit einer Haltung, die nicht bereit ist, Sozial- und Bildungsdefizite breiter Bevölkerungsschichten zu beseitigen. Außerdem wird eine solche Politik fast ausschließlich von Menschen bestimmt, die sich zu einem Glauben an höhere Wesen bekennen (zumindest tun sie das öffentlich). Ihnen möchte man frei nach Feuerbach zurufen: "Wer seinen Verstand betrügt, kann nur schwer ein ehrliches Herz haben!"
- Stille bzw. unbekannte Humanisten
Wie soll ich unbekannte Humanisten kennen? Es gibt sicherlich viele und ich fordere die stillen Humanisten auf, endlich laut zu werden.
- Humanismus und Spiritualität
Ich bin nicht der Meinung, dass Humanismus und Spiritualität verbunden werden sollten, insbesondere, wenn man Spiritualität im Sinne von religiöser Jenseitsbezogenheit versteht. Das Leben und die Evolution, die Weite und die bekannte und unbekannte Fülle des Universums mit seinen ungelösten Geheimnissen lösen sicherlich Gefühle aus, die man vielleicht als Spiritualität bezeichnen könnte. Insofern können Räume, die sich mit den noch ungelösten Geheimnissen des Weltalls oder mit der Evolution des Lebens befassen, auch Räume der Besinnung sein. Räume, in denen Jenseitsbezogenheit und eine geistige Welt durch künstliche Gestaltung in Form, Farben, Gerüche und Geräusche geschaffen werden, sind mir suspekt.
- Zukunft und Wünsche
Es liegt im Wesen der Evolution, dass Altes überwunden und Neues entsteht. Darum bin ich zuversichtlich, dass auch die zur Zeit herrschenden Religionen überwunden werden, genauso wie die vielen von Menschen geschaffenen Götter, die bereits tot sind. So wird eine bessere Existenz des Menschen möglich. Dazu wünsche ich mir eine Welt mit mehr Gerechtigkeit, Solidarität, Selbstbestimmung und Freiheit, in der nicht auf Glauben sondern auf Vernunft gebaut wird.