Reinhard Rösler

Reinhard Rösler                                         Fotografie ©evelinFrerk.

Reinhard Rösler ist Bauingenieur und Anwendungsentwickler .... und Vater von drei Kindern.

Berlin, 2016-01-28eF.

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                                                                 E  p  i  k  u  r  s     G  a  r  t  e  n 

 

                               "Glaubensfreiheit und wertphilosophisch begründete Ethik sind nur möglich, 

                                                        wenn es keine Denk- und Redeverbote gibt

 

1. Selbstdedinition

Je nach Laune und Fragestellung sehe mich als evolutionären Humanisten, philosophischen Materialisten, pragmatischen Skeptiker oder philantropischen Hedonisten. Aus religiöser Sicht bin ich praktischer Atheist bzw. Apatheist, da Glaube und Religiosität in meinem Alltag keine Rolle spielen und mich auch nicht interessieren. Gerne bezeichne ich mich auch als Aphilatelisten, da ich keine Briefmarken sammle.

 

2. Entscheidende Erfahrungen

Meine Weltanschauung hat sich wohl vorwiegend aus meinem Interesse für Wissenschaft und Technik sowie einer Sehnsucht nach Wahrheit entwickelt. Etwas, was ich durchdenken und begreifen kann, war für mich schon immer überzeugender als etwas, von dem einfach behauptet wird, es sei halt so. Deshalb bin ich auch nicht enttäuscht, wenn ich mal meine Meinung aufgrund neuer Erkenntnisse ändern muss. Außerdem finde ich die Entwicklung und Veränderung in der Wissenschaft einfach spannender als statische Glaubenssysteme.

 

3. Elitär

Glaubensfreiheit und wertphilosophisch begründete Ethik sind nur möglich, wenn es keine Denk- und Redeverbote gibt. Das ist das Gegenteil von elitär. Elitär ist etwas, wenn es aufgrund mangelnder Möglichkeiten oder aus Furcht vor Nachteilen nicht von allen gelebt werden kann.

In Deutschland ist Glaubensfreiheit in vielen Gesellschaftsbereichen verwirklicht, in zwei wichtigen aber nicht: der Politik und dem Sozialwesen. Eine Parteikarriere ohne Kirchenmitgliedschaft ist in den meisten Parteien nur schwer möglich. Bei sozialen Berufen haben kirchliche Trägerschaften als Arbeitgeber oft eine (Quasi-) Monopolstellung und können über das kirchliche Arbeitsrecht die Glaubensfreiheit de facto abschaffen.
Weltweit betrachtet ist Glaubensfreiheit in vielen Ländern nicht vorhanden, in einigen sogar verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

 

4. Religiöse Zwänge

Rückblickend sehe ich religiöse Zwänge, denen ich unterworfen war, aber ich habe diese nicht bewusst wahrgenommen. Stärker waren soziale Zwänge oder Rücksichten, die ich genommen habe, wenn mir das Thema zu unwichtig bzw. der Streit darüber zu mühselig oder fruchtlos erschien.

 

5. Konkrete Eigenerfahrungen mit Religiösität

Ich bin evangelisch getauft und konfirmiert worden. Religiöse oder spirituelle Gefühle hatte ich allerdings nie. Ich kann mich auch nicht erinnern, jemals - selbst als Kind nicht - abseits der kirchlichen Rituale aus eigenem Antrieb gebetet zu haben. Daher gehe ich heute davon aus, nie gläubig gewesen zu sein.

 

6. Glaubensfreie Alternativen

Ich lebe keine glaubensfreien Alternativen zu religiösen Ritualen, finde es aber gut, dass zunehmend säkulare Alternativen wie etwa Jugendweihen oder säkulare Trauerfeiern angeboten werden.

 

7. Freiheit, eigene Wünsche und Gedanken zu leben

Meine Freiheit, eigene Wünsche und Gedanken zu leben, wird derzeit vor allem durch persönliche Ängste, meine finanziellen Möglichkeiten oder Naturgesetze begrenzt und weniger durch staatliche Schranken. Global betrachtet kann ich sagen: Glück gehabt.

 

8. Zusammenhang zwischen Humanismus und Aufklärung

Humanismus und Aufklärung passen gut zueinander, hängen für mich aber nicht zwangsweise zusammen. Letztlich zählt die Handlung und nicht ihre Begründung. Da falsche oder mangelhafte Begründungen aber leicht zu schädlichen Handlungen führen, sollte man möglichst viel darüber wissen, wie die Welt wirklich ist. Dazu braucht es Bildung und Aufklärung.

 

9. Praktischer Humanismus

...ergibt sich meiner Meinung nach oft von selbst, indem man etwas macht, dass einem selbst nicht schadet, aber einem anderen nützt. Dazu gehören eigentlich nur Achtsamkeit, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl. Wenn man sich z.B. fragt: "Wäre es nicht nett und vernünftig, wenn jemand das umgekippte Fahrrad aufhebt, das den Gehweg blockiert?", einfach mal antworten: "Ja, das wäre es. Und dieser Jemand bin heut' ich." Das Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben, bringt meist noch gute Laune und nützt einem dadurch auch selbst. Zeitmangel allerdings beschränkt die Achtsamkeit und ist einem praktischen Humanismus daher abträglich. So betrachtet ist praktischer Humanismus eigentlich nur ein pompöser Ausdruck für ...naja... Freundlichkeit.

 

10.Selbstbetimmtes Leben und selbstbestimmtes Sterben

Art. 2 GG beschreibt es im Prinzip sehr gut:
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Allerdings nützen diese Rechte nur, wenn man sie auch in Anspruch nehmen kann. Dies soweit wie möglich zu gewährleisten, ist daher eine Aufgabe des Staates bzw. der Gesellschaft. Während in einigen Bereichen - etwa bei der behindertengerechten Gestaltung öffentlicher Räume - hier große Fortschritte gemacht wurden, wurde die Entwicklung in anderen behindert (Beispiel: kirchliches Arbeitsrecht) oder sogar umgekehrt (Stichwort: Abbau des Sozialstaates, Hartz IV).
Da das Sterben (der letzte) Teil des Lebens ist, gehört ein selbstbestimmtes Sterben zu einem selbstbestimmten Leben. Wenn die Freiheit der Person unverletzlich ist, so ist es auch die Freiheit, sein Leben zu beenden und sich dabei nötigenfalls auch helfen zu lassen. Das 2015 erlassene, von vielen Abgeordneten überwiegend aus religiösen Motiven unterstüzte "Sterbehilfe"-Gesetz ist ein deutlicher Rückschritt.

 

11. Was schadet der Gesellschaft aktuell am meisten

In Deutschland finde ich derzeit eine Form der sogenannten Political Correctness besonders ärgerlich und auch schädlich. Sie besteht darin, nichts zu sagen oder zu tun, was bestimmte Gruppen, vor allem Minderheiten, als diskriminierend betrachten könnten. Häufig wird dies mit Respekt begründet. Tatsächlich ist diese vorauseilende Rücksichtnahme auf die Wünsche oder Gefühle einer Gruppe besonders respektlos gegenüber dem Individuum. Die Mitglieder dieser Gruppe werden zu Unmündigen degradiert, denen man Kritik oder kontroverse Vorstellungen nicht zumuten darf. Die Nichtmitglieder werden nicht ernstgenommen und ihre Meinungsfreiheit beschnitten. Statt sich mit unbequemen Gedanken auseinanderzusetzen, werden (von manchen gezielt) Probleme verharmlost, Meinungsgegner diskreditiert und Debatten unterdrückt.
Global betrachtet halte ich die Überbevölkerung des Planeten für das größte Problem der Menschheit, da sie auf alle anderen Krisentendenzen (Klimawandel, Umweltzerstörung, Rohstoff- und Nahrungsmangel, Migrationsbewegungen, Kriege usw.) verschärfend wirkt. Ein hoher Bildungsgrad (vor allem für Frauen), eine hohe Sicherheit der Lebensführung sowie das Recht und die Möglichkeit, die Kinderzahl selbst zu steuern, führen stets zu einer deutlichen Senkung der Geburtenrate und sind somit ein wirksames Gegenmittel. Daher ist auch das kapitalistische Wirtschaftssystem ohne vernünftige Regulierungen schädlich, da es zwangsläufig zu den extremen Einkommens- und Eigentumsunterschieden führt, die derzeit weltweit zu beobachten sind. Armut aber vermindert die Sicherheit der Lebensführung deutlich. Eine gerechtere Verteilung des Reichtums des Planeten ist daher ebenfalls dringend notwendig.

 

12. Stille bzw.  unbekannte Humanisten

Ein Mensch, der im Sinne von Aufklärung und Humanismus vorbildlich gehandelt hat, ist für mich der Jesuitenpater Friedrich Spee (1591-1635), Verfasser der "Cautio Criminalis", einer der wichtigsten Streitschriften gegen die Hexenprozesse.
Ein weiterer ist der russische Oberstleutnant a.D. Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow (*1939), der am 26.09.1983 einen gemeldeten amerikanischen Raketenstart aufgrund unsinniger Daten richtigerweise als Fehlalarm deutete und eigenmächtig die Befehlskette unterbrach, wodurch eine Verschärfung der angespannten politischen Situation bis hin zu einem möglichen Atomkrieg verhindert wurde.
Beide Männer waren keine Helden und wollten wahrscheinlich auch keine sein, aber sie hatten den Mut, sich ohne Rücksicht auf mögliche persönliche Nachteile ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

 

13.Humanismus und Spititualität

Ich sehe keinen notwendigen Zusammenhang zwischen Humanismus und Spiritualität und denke auch nicht, dass man nichtreligiöse Orte der Spiritualität schaffen muss. Zum einen sind solche Orte oft individuell verschieden (auch für manchen Gläubigen ist ein Waldspaziergang spiritueller als ein Gottesdienst), zum anderen kann man auch ganz pragmatisch die dafür bereits vorhandenen Orte der Religionen nutzen.
Wozu das Rad neu erfinden?

14. Zukunft und Wünsche

Für die Zukunft des Humanismus wünsche ich mir ganz schlicht und naiv, dass immer mehr Menschen erkennen:
Auf den Menschen kommt es an. Wenn auf irgendeinen Gott Verlass wäre, hätte sich das schon rumgesprochen.